Ausgabe Nr. 2, 23. Feb. 1999

DOUBLE-H-NEWS



EDITORIAL

Nachdem ich Euch schon mit der ersten Ausgabe meiner DOUBLE-H-NEWS fuerchterlich auf die Nerven gegangen bin und ich eine Reihe von wuetenden Protestanrufen, noch wuetenderen Protestbriefen und besonders wuetenden E-mails erhalten habe und mich somit in meinem Tun und Handeln bestaetigt fuehle, habe ich mich dazu entschlossen, der ersten Ausgabe erst recht eine zweite folgen zu lassen. Um die Sache noch etwas spannender zu gestalten, habe ich in meinem Reisebericht ueber New York zwei Details eingeflochten, die nicht der Wahrheit entsprechen. Das erste ist die pietaetlose und ge-gen jeden guten Geschmack verstossende Beschreibung einer grauenvollen Folterpro-zedur, das andere - lediglich Insidern zugaengliche - etwas weniger blutruenstig aber nichtsdestotrotz eine ebenso geschmacklose Anspielung auf meine (angeblichen) Klei-dungssitten. Wer die beiden unwahren Details findet und mir die richtige Antwort zu-schickt oder mailt, wird in Zukunft von weiteren Belaestigungen von der Art, wie Ihr sie gerade in Haenden haltet, verschont bleiben (oder auch nicht). Also, aufmerksam lesen!

Der Herausgeber




REISEBERICHT: Johannes in New York City


ERSTER TAG: Montag, 15. 2

Ich stehe in aller Herrgottsfruehe auf und mach mich auf den Weg Richtung downtown Buffalo, wo mein Zug um 8.50 Richtung New York City abfaehrt. In Erwartung eines gros-sen Bahnhofes bieg ich um die letzte Ecke und sehe - eine winzige Backsteinbude, viel-leicht 18 x 11 m im Grundriss. Voellig unglauebig, dass dieses Ding der Hauptbahnhof einer Stadt von knapp 800.000 Einwohnern sein soll, frage ich die Ticketverkaeuferin, ob das die Einstiegsstelle fuer den Zug nach NY ist. Sie wundert sich ob meines fassungslosen Gesichtsausdruckes und versichert mir, dass ich hier durchaus richtig bin. Naja, gut zwei Meilen hinter dieser Wunzstation lueftet sich das Geheimnis um die glorreiche Vergangen-heit des amerikanischen Eisenbahnwesens: Wir passieren eine riesige Ruine - den ehema-ligen Hauptbahnhof von Buffalo. Mir als altem Bahnfahrer mit angesichts dieses Elends gebrochenem Herzen stellt sich natuerlich die unvermeidliche Frage: Amerikanisches Eisenbahnwesen - QUO VADIS?

Nach diesem ersten schockierenden Eindruck gestaltet sich die weitere Reise durchaus angenehm, wir fahren durch eine teils flache, teils huegelige und in einigen Abschnitten sogar leicht gebirgige Landschaft, die in weiten Teilen erstaunlich naturbelassen ist. Rechts und links des Bahndammes erstrecken sich sumpfige Auwaelder, wir folgen dem Mohawk River und spaeter dem Hudson, die beide relativ wenig reguliert sind. Und nach ueber siebenstuendiger Fahrt tauchen die ersten Haeuser der NYer Vororte auf. Wir fah-ren durch den noerdlichsten der fuenf Stadtteile, die Bronx, ueberqueren einen Seitenarm des Hudson und fahren schliesslich in die Penn-Station ein, mitten im Herzen Manhattans. Ich kaufe mir eine Wochenkarte fuer die oeffentlichen Verkehrsmittel (17 Dollar, was fuer eine Stadt dieser Groessenordnung gar nicht so viel ist) und fahre mit der U-Bahn zur Jugendherberge in der Amsterdam Avenue, Ecke 103. Strasse.

Wie sich herausstellen sollte, leider ein unsympathischer Ort: Ich schlafe in einem 4-Mann Zimmer, indem nichts ist ausser zwei Stockbetten - kein Tisch, kein Sessel, keine ab-sperrbaren Kaesten, lediglich ein Kleiderhaken, der seines Namens nicht wuerdig ist, denn er ist genau das nicht, was er vorgibt zu sein: ein Haken. Im Klartext ausgedrueckt: Ich kann gerade mal meine Jacke aufhaengen, alles andere wird gnadenlos abgeworfen. In der Nacht stellt sich schliesslich heraus, dass das Leintuch nicht gross genug ist und sich staendig von den Kanten der 40 cm dicken mit einer ekelhaften Kunststoffschicht ueber-zogenen Matratze loest. Doch damit nicht genug: Irgendwann um halb fuenf Uhr morgens taucht der vierte Mitbenuetzer meines Zimmers auf, wie es scheint arabischer Herkunft, und versucht die Raumtemperatur auf das fuer ihn gewohnte Mass anzuheben, indem er die Heizung bis zum Anschlag aufdreht und den Ventilator einschaltet. Bis halb sieben lieg ich schwitzend im Bett auf ekligem Kunststoff geplagt vom RATTARATTA des klappernden Ventilators bis ich mich schliesslich endgueltig wachquaele und die Jugendherberge in Richtung Stadtzentrum verlasse. Aber eigentlich ist jetzt schon der


ZWEITE TAG: Dienstag, 16.2.

Ich lasse mich stundenlang durch die Strassen NYs treiben, irgendwie ein eigentuemlicher Ort mit bemerkenswert vielen und bemerkenswert hohen Haeusern. Um 11 fahre ich zum Lincoln-Center in der 66. Strasse und kaufe mir eine Karte fuer das abendliche Konzert des NY Philharmonic Orchestra: Borodin 2. Symphonie, Debussy La Mer, und vor allem Bartok Der wunderbare Mandarin, eines meiner absoluten Lieblingsstuecke, stehen auf dem Programm. Am Nachmittag besuche ich das Guggenheim Museum und kaufe mir eine Karte fuer das Mittwochspiel der NY Rangers gegen die Montreal Canadiens (EISHOCKEY - fuer die Banausen unter Euch) im Madison Square Garden. Auf der Suche nach besagtem Madison Square Garden frage ich einen Einheimischen nach dem Weg dorthin und bekom-me die mehr als kryptische Antwort: "Just go ahead, it's a huge building on the left side, you can't miss it!" Offensichtlich gehoert es zum Verarschungsinstrumentarium der NYer Stadtbevoelkerung ahnungslose Touristen in einer Stadt voller huge buildings zu einem ganz bestimmten huge building zu schicken, dass sich dadurch auszeichnet, dass es ein huge building ist, dass nicht verfehlt werden kann, weil es eben ein huge building unter anderen huge buildings ist. Nichtsdestotrotz finde ich den Weg und kaufe mir die Karte. Das Konzert war sehr angenehm, toughe Jungs diese NY Philharmonics. Das Mozarteum-Orchester haette spaetestens bei Bartok klaeglich versagt.


DRITTER TAG: Mittwoch, 17.2

Leider laesst das Wetter etwas nach. Die ersten beiden Tage waren sehr sonnig, heute ist es so richtig diesig - ein guter Tag, um sich fuer zwei Stunden den Massentouristen anzuschliessen: Freiheitsstatue besuchen und Skyline bewundern. Am Nachmittag treibt es sich mich wieder durch die Stadt, am Union Square dreht mir ein Strassenverkaeufer eine Eintrittskarte fuer einen Stand-up Comedy Club an. Ich lasse mir das Ding durchaus gerne andrehen, der Donnerstagabend ist noch unverplant. Ausserdem war ich noch nie in einem solchen Club, also warum nicht ein paar Dollar ins Blaue hinein riskieren? Abends endlich das Eishockeyspiel, der Madison Square Garden ist fast ausverkauft, die Stim-mung gut. Leider ist das Spiel nach sechs Minuten praktisch tot und die Stimmung am Boden, weil die Rangers innerhalb von 48 Sekunden drei Tore kassieren. Unter dem Applaus des Publikums wird der Torhueter ausgewechselt (der an den Toren weitgehend schuldlos war). Die Canadiens geben die Fuehrung nicht mehr aus der Hand, sobald die Rangers ins Spiel kommen und ein Tor erzielen, stellen die Canadiens postwendend den alten Abstand wieder her. Das Spiel endet schliesslich vor halbleeren Raengen 3:6. Kommentar eines frustierten Besuchers: "Business as usual". Zwei Tage spaeter fegen die Rangers die Pittsburgh Pinguins 6:1 vom Eis. Arschloecher.


VIERTER TAG: Donnerstag, 18. 2.

Das Wetter erreicht am Vormittag seinen Tiefpunkt, es regnet. Heute steht das Museum of Natural History auf dem Programm, wie sich weisen sollte, eine durchaus interessan-ter Programmpunkt. Vier Stockwerke mit mehreren riesigen Saelen auf jeder Ebene und jeder Menge Besucher, vor allem kreischende Kids und kamerabewehrte Touristen. Das oberste Stockwerk ist das bemerkenswerteste. Es beherbergt eine fantastische Dino-saurierausstellung, hervorragend aufbereitet in von viel natuerlichem Licht durchfluteten Raeumlichkeiten. Besonders faszinierend war aber die Vivisektionsabteilung, die von Mitarbeitern des IFTCSTOIA (Institute for the completely senseless torture of innocent animals) betreut wird. In einem grossen Raum wird dort drei mal pro Tag zur Erheiterung des Publikums ein unschuldiges, armes und voellig veraengstigtes Tier waehrend einer halbstuendigen Liveshow sinnlos zu Tode gequaelt. Ich verzichte aus Zeitgruenden auf die Show und konzentriere mich auf die Durchwanderung saemtlicher Saele und Stock-werke. Nach vier Stunden ist die Aufnahmebereitschaft meiner Sinnesorgane erschoepft und ich verlasse das Museum. Der Regen hat aufgehoert. Am Abend gebe ich mir tat-saechlich die Stand-up Comedy Show. Der Club bietet knapp 150 Leuten Platz und ist an diesem Abend ziemlich voll. Die Show ist phasenweise ziemlich witzig, eine Art Conferen-cier fuehrt die Leute durchs Programm und stellt die einzelnen Komiker vor. Vor allem der letzte, ein Afroamerikaner mit NYer Slang spielt in fast schon genialer Manier mit den Publikumsreaktionen und baut sie besser als jeder seiner Vorgaenger - obwohl auch die durchaus ansprechend waren - in sein eigenes Programm ein.

Der kroenende Abschluss meines Kurzaufenthaltes sollte aber der Besuch in einem NYer Undergroundclub namens Continental werden. An diesem Abend findet eine Art Auf-nahmesession statt, ein gutes Dutzend Szenebands treten auf, jede spielt nur 5-6 Songs. Ich hoere nur mehr die letzten vier Gruppen, da ich erst gegen halb zwoelf dort ankomme. Die erste Band beginnt ihr Konzert mit einer Publikumsbeschimpfung, die aber offensichtlich zu deren Ritual gehoert, deren kleiner aber harter Fankern jedenfalls amuesiert sich koestlich: "Fuck you, and you, and you, fuck that bloody guy in the first row, fuck the bloody bitch in the second row and especially fuck that fucking Austrian tourist with the red shirt he never changes. THIS IS PUNK and this song is called FUCK YOU!!!". Die Band legt los, das Publikum tanzt Pogo und bangt was die heads hergeben:
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDIROEHRROEHRROEHRROEHR
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDI - "FUCK YOU!!!" -
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDIROEHRROEHRROEHRROEHR
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDI - "Thank you!"
"You know, we all hate Giuliani!" (Buergermeister von NY, der durch hartes Durchgreifen die Kriminalitaetsrate der Stadt senken will) "So fuck Giuliani! I wanna hear you say FUCK Giuliani!" - Publikum: "FUCK GIULIANI!" - Saenger: "I wanna hear you say FUCK the Cops!" (Cops: negativ besetzter Begriff fuer Polizist. Ausfuehrende Organe der giulianischen Massnahmen; fielen durch eine Reihe brutaler und voellig uebertriebener Aktionen gegenueber der Zivilbevoelkerung auf) - Publikum: "FUCK THE COPS!" - Saenger: "YEAH! This one is called FUCKIN BITCH!"
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDIROEHRROEHRROEHRROEHR
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDI - "HEY YOU FUCKIN BITCH!!!" -
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDIROEHRROEHRROEHRROEHR
BUMPDIBUMPDIBUMPDIBUMPDI - "Thank you!"


FUENFTER TAG: Freitag, 19. 2. Tag der Abreise. Keinen besonderen Vorkommnisse.


Liebe Gruesse, Euer Hannes

(Ihr habt Euch jetzt wohl noch eine Abschlussbeschimpfung erwartet. Ha! Ich bin eben unberechenbar.)


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