Nico´s subjektives Tourtagebuch
Freitag 19.März Tourbeginn und Reisetag
Die Voraussetzungen sind bestens. Ich habe vier Stunden geschlafen, bin erkältet und wir haben einen Tourbus gemietet, mit dem vorher tote Fische ausgeliefert wurden. Für uns Fischköppe natürlich nur ein sekundäres Problem. Ferner bin ich der einzige mit Führerschein. Los geht’s also, um 900 Kilometer nach Wels in Österreich zu fahren. Das obligatorische Gewitzel das entsteht wenn Männer unter sich sind beginnt bereits auf Kilometer 8 und soll andauern bis wir später am Abend endlich in der Jugendherberge ankommen. Die Zwischenzeit ist mit belegten Brötchen, guten Ratschschlägen zum Leben im Allgemeinen und geistfreiem Gerede gefüllt das darin gipfelt, daß Kjenjo am Abend in der Pizzeria mit seinem guten Namen zahlen möchte und dem pakistanischen Kellner erklärt er heiße ab heute Hans.
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Kjenjo und Johannes im Fischlaster |
Samstag 20.März Auftritt in
Hüttenberg (Österreich) Nach einigen Eimern Kaffee für den Fahrer und heißer Schokolade für den Rest geht es einige Stunden bergauf und bergab durch das österreischische Gealp. Gegen Mittag kommen wir in Hüttenberg im Hotel an und haben einige Stunden Zeit bis zum Auftritt. Ich mache vom Recht des einzigen Autofahrers gebrauch, zu schlafen, während die Anderen die Technik aufbauen. Nach erfolgreichem Duschen gehe ich rüber in Bergrichterhaus in dem wir spielen sollen. Alles ist fertig aufgebaut und die ersten Gäste sind schon da. Wir spielen im ersten Stock eines schönen Fachwerkhauses vor begeistertem Publikum. Johannes – unser Quotenösterreicher übersetzt synchron unsere Ansagen ins Österreichische und Kjenjo und ich wundern uns, dass die Sätze die wir dort hören immer doppelt so lang sind, wie diejenigen die wir vorher gesagt haben. (Grübel) Nach gespieltem Konzert ist das Publikum immer noch so begeistert, daß Kjenjo und ich noch einige Stücke unplugged im Foyer zum besten geben und dafür reichhaltig mit Weißwein und lokalen Bieren belohnt werden. Ein Eintrag ins Gästebuch, weitere Getränke, zwei Pizzen und viel gute Laune runden den Abend ab |
Sonntag 21.März Auftritt in
Stephanshart Österreich Kurzes Frühstück mit Update diverser Sportergebnissw durch Johannes. Nach mehrstündiger Autofahrt mit Differenzen über mein Bremsverhalten und Genörgel über Kjenjos und meine Vorliebe für die Musik von Franz Josef Degenhardt kommen wir in Stephanshart an. Stephanshart liegt oben auf einem Hügel und ist umgegen von eben Solchen. Johannes schaut sich die Sportergebnisse an und Kjenjo und ich laufen die Hügel hoch und runter und begegnen ein paar Hühnern. Action pur!!! Nach ein paar geruhsamen Stunden mit dem Sat Receiver und dem Bibelkanal gehe ich nach unten in den Veranstaltungsraum zum Soundcheck. Auch dieser Abend ist gut besucht. Der sehr sympathische Veranstalter schneidet den Auftritt mit und sichert uns eine Kopie zu. Die Besucher verzeihen uns unser Hochdeutsch und wir werden frenetisch gefeiert und spielen nach den beiden Sets noch mehrere Zugaben. Zum Dank werden wir von einem Tisch mit mehreren sympathischen Damen zum Bier eingeladen. Ich kriege ein zweites Bier ausgegeben, das die freundliche Spenderin dann überwiegend selber trinkt. Wir haben viel Spaß und verbringen noch einige Humorige Stunden mit dem Wirt, ein paar Gästen und dem Veranstalter.
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Nacht von Sonntag auf Montag: Arrghh ein böses erwachen - wer schnarcht denn da so laut wie ein russischer Kampfhubschrauber????
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Montag 22 März Autofahren, schlafen, duschen und ein misslungener Versuch ins Kino zu gehen. Aus Gründen die ich um meiner eigenen Sicherheit willen nicht nennen möchte, spendiert Kjenjo zur Nacht eine Runde Ohropax. |
Mein hilfloser Versuch gleichzeitig zu essen, zu Steuern und den Gang zu wechseln. Irgendjemand hat mal geschriebewn , daß Männer immer nur eine Sache zu zeit könnten.
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Dienstag 23.März Auftritt in
Steyr Österreich Nach kurzer Wegstrecke und kommen wir in Steyr an. Bis dahin weiß ich nur das dort viele Waffen hergestellt werden. Also gehe ich in den nächsten Waffenladen um mir Waffenöl für meine Gitarrensaiten zu kaufen . (Tipp an alle Gitaristen: Ballistol Klever heißt das Zeug. Einmal auf die Saiten auftragen und die rosten nicht mehr!!! Außerdem hilft es laut Verkäuferin auch gegen Magenprobleme. Wie das genau gehen soll frage ich mich immer noch. Einfach mit Bauchdurchschuß?) Unser Hotel ist schräg
gegenüber dem Gasthof Seidlbräu. Wir bauen auf und stellen geschmeichelt
fest, dass zwei von den Mädels aus Stephanshart uns hinterher gereist sind.
Wir essen gemeinsam zu Abend und spielen unser Konzert.
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Mittwoch 24 März Reisetag Was soll man sagen. Autobahn,
Automatenkaffe und ein Unwetter. Wir fahren über Salzburg, da Johannes in
seiner Heimatstadt noch ein paar Amtswege zu machen hat, während Kjenjo und
ich in einer türkischen Pizzeria auf seine Kosten essen. Dieser Tag bestärkt
mich wieder einmal in meiner Meinung über FIAT Autos. Fehler In
Allen Teilen
und Sätze wie: "Für Italiener Ausreichende Technik", kommen nicht von ungefähr.
Nachdem ich meinen eigenen Fiat verkauft haben sitze ich nun in diesem
verfluchten Bus.
Das Wetter in Bayern hat einen halben Meter Neuschnee und Regengüsse zu
bieten. Leider ist unser Bus so gebaut, dass das Gebläse es nicht schafft
die Windschutzscheibe freizupusten.
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Donnerstag 25. März Auftritt
in la Chaux de France französische Schweiz Nachdem wir ein die Grenzkontrolle unbeschadet überstanden haben und der Zöllner uns endlich geglaubt hat, daß wir keinen Schnaps dabei haben, obwohl wir eine Band sind, geht es auf der Autobahn zu dem Auftritt vor dem wir alle ein bisschen Muffensausen haben. Kjenjo und Jo sprechen kein Wort französisch und auch ich habe viele andere Talente. Wir witzeln nervös über die Schweiz und fragen uns ob auch die Autos Steuerfrei sind. Der Irish Pub in dem wir abends spielen ist sehr groß und sehr nett. Wir sind in einer Wohnung darüber untergebracht und nachhaltig beeindruckt. Das Badezimmer ist dermaßen sauber, dass wir unsere Vorurteile gegenüber dem Schweizer Perfektionismus grundlegend überdenken. Als ich mich nach einigen gemütlichen Stunden wieder nach unten in den Pub begebe bin ich überrascht. Der Laden platzt aus allen Nähten, obwohl wir unter der Woche spielen. Der Auftritt verläuft auch ohne lange Ansagen optimal. Das Publikum ist begeistert, stampft und tanzt auf den Tischen. In der Pause werden wir herzlich aufgenommen und diverse Francois, Sophies und Nicolas stellen sich uns vor, begrüßen uns mit Handschlag und fragen uns warum wir auf Englisch statt auf Französisch oder Deutsch singen. Schwer zu sagen. Die zweite Hälfte wird noch rasanter. Zwei schnurrbärtige Männer tanzen engumschlungen vor der Bühne und nach vielen Zugaben feiern wir mit den Gästen bis zur Sperrstunde. |
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Freitag 26.März Auftritt in
Konstanz Deutschland Bei gutem Wetter fahren wir eine Ministrecke bis Konstanz, essen indische Dinge, hängen im Internetcafe rum und bringen unsere durchgeschwitzten Hemden in die Wäscherei. Das Hotel ist zwanzig Meter vom Pub entfernt und der sieht recht nett aus. Wir versuchen unsere Instrumente reinzubringen. Geht allerdings nicht, weil die Person hinter der geschlossenen Tür immer nur winkt, statt die Tür aufzuschließen. Also parken wir das Auto irgendwo anders und versuchen es abends noch mal. Diesmal mit mehr Glück. Der Laden ist an diesem Abend nicht sehr voll. Obgleich oder weil der Eintritt nur drei Euro kostet. Der Kassierer ist sehr nett und versucht uns zu trösten, obgleich wir garnicht traurig sind. Während der zweiten Hälfte kommen dann doch noch die ersehnten Gäste. Eine Gruppe irischer Jugendlicher macht Deutschlandurlaub und verlautet sie sei jeden Abend hier und wir seien echt gut. Home sweet home. Ich probiere zwei der 14 Biersorten und werde am nächsten Morgen einen ordentlichen Kater haben, den ich dann in einem Tourtagebuch auf das Rothauser Tannenzäpflebier schieben werde. |
Samstag 27.März Auftritt in Lustenau Österreich
Guter Dinge kommen wir in Lustenau an. Ein großer Veranstaltungsraum, Bühne mit Beleuchtung, ein Tontechniker - was will man mehr. An diesem Abend spielen wir mit der Coverband Copyright zusammen. Ein umfangreiches Buffet macht uns nahezu Bewegungsunfähig. Als ich nach einer Stunde aus dem Backstagebereich über die Bühne in den Saal schaue erschrecke ich ein wenig. Der Altersdurchschnitt liegt etwa bei 15 Jahren. Was tun? Doofe Ansagen machen wie: „Paßt gut auf in der Schule, sonst müsst ihr wenn ihr erwachsen seid im Jugendzentrum Musik machen? Nein! Kiddies mögen Hip Hop . Für die dürfte ein Folkkonzert etwa so schlimm sein wie eine Oper denke ich mir. Also müssen wir schnell Hip Hop lernen. Hänschen Klein wird schnell mit einem neuen Refrain versehen und mit einem krassen Cajón Groove unterlegt. Wieder macht es sich bezahlt einen Koffer mit komischen Hüten, Brillen und Mützen dabei zu haben. Das Publikum verzeiht uns unseren Musikstil und es wird ein angenehmer Abend mit gutgelaunter Band, zufriedenem Veranstalter und amüsiertem Publikum. Anschließend fahren wir wieder zu Chris wo wir uns auf den Sofas betten. |
Hänschen in da House |
Sonntag 28.März Auftritt Winterthur Schweiz
Die Tour geht ihrem Ende zu. Unsere Stimmen auch. Das fahren mit offenem Fenster tut seinen Teil dazu. Wir treffen am frühen Nachmittag in Winterthur ein. Max der Wirt – ein Baum von einem Mann - erklärt uns das er gut von den deutschen Steuerflüchtlingen lebt und daß es uns ja offensichtlich nicht so gut geht, während er mit ausgestrecktem Zeigefinger in unsere Bauchansätze piekt, die mit seinen Ausmaßen nicht mithalten können.. Ferner habe Otto Schily irgendwas gesagt was der Schweiz nicht passe. Wenn wir uns aber entschuldigen würden, hätten wir gute Chancen dass man uns in Frieden lässt. Nach ein paar Stunden Schlaf im Hotel, kombiniert mit halbwachem Konsum des Bundeswehrkanals (wir hatten wieder eine Sat Receiver) fahren wir dann zurück in den Pub um aufzubauen. Geht aber nicht weil gerade Fußball läuft - und zwar auf der Leinwand. Kjenjo und ich sind etwas gefrustet, Johannes beteuert daß ihn das Spiel auch nicht interessiert , wird von uns aber kurze Zeit später beim Anfeuern erwischt. Da es keine Verlängerung gibt können wir dann auch aufbauen. Der Pub ist schon während unseres Soundchecks gerammelt voll und als es dann endlich losgeht gibt es kein Halten mehr. An diesem Abend spielen wir 3 Sets + Zugaben und der Laden kocht. Es ist der lustigste und musikalisch beste Abend dieser Tour. Wir moquieren uns über den Schweizer Dialekt und das sogar auf den Autos ein Aufkleber mit "Ch" ist, die Anwesenden verhalten sich jedoch neutral. Ferner treffen wir wieder auf sehr sympathische Mädels, Pascale und Isa, mit denen wir anschließend noch einige Dutzend Biere trinken bevor wir dann zum Nebentisch zitiert werden. Dort belehrt uns Vanessa das sie es überhaupt nicht lustig findet was wir über die Schweiz so reden und das es sich ja ausschließlich um abgegriffene Klischees handelt. Als wir nach
Ihrem Beruf fragen erklärt sie uns sie arbeite in einer Bank.
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Montag 29 März Reisetag
Nach einem soliden Frühstück im Country Hotel Stars an Stripes rollen wir in Richtung unseres letzten Auftrittes. Dieser wird in Suhl in Thüringen sein. Bis dorthin sind es aber noch viele hundert Kilometer. Wir verbringen lange Stunden auf Landstrassen und hinter den defekten Auspuffrohren von staubenden Betontransportern. Dank der etwas gewagten Verkehrsführung in Suhl ist der Autoweg zum 400 Meter entfernten Hotel ganze 3,5 km lang. Beeindruckt legen wir uns in die Kissen.
Sinnfreies Autobahnschild in Thüringen |
Johannes bei der Arbeit |
Dienstag 29.März Auftritt Suhl Deutschland
Der Pub in dem wir spielen heißt feuchte Ecke. Über dem Plakat in der Tür klebt ein Balken Ausverkauft. Und das bei 15 Euro Eintritt. Balsam fürs Selbstwertgefühl. Bernd der Wirt heißt uns herzlich willkommen und nach einigen technischen Problemen haben wir den Soundcheck bewältigt. Der Laden ist dermaßen ausverkauft, daß wir keinen Sitzplatz mehr bekommen. Um genau zu sein: Auch keinen Stehplatz – außer den 3 Quadratmetern die wir als Bühne haben. So werden wir schon eine halbe Stunde vor Beginn Erwartungsfroh bewundert und unser Bandname vom Nebentisch (Abstand 30 cm von Kjenjos linker Schulter gemessen) als VEB Folklore ins Thüringische Übersetzt. In dem guten Willen es noch ein letztes mal Krachen zu lassen stoße ich beim erklettern der Cajon mit Geige zur allgemeinen Freude mehrfach an die Guinness Deckendeko, während Jo verzweifelt versuchte seine letzten 30 cm Bühnenraum gegen mich zu verteidigen. Nach zwei sehr druckvollen Sets können wir guten Gewissens sagen, dass wir unseren Plan an diesem Abend, mit 120 % nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt haben In diesem Wissen stoßen wir dann nach getaner Arbeit zunächst an und anschließend auf.
Die nächste Tour wird folgen.
Nico
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